Von Bernd Koldewey
Die Tradition des Olivenanbaus in Andalusien lässt sich über 2.000 Jahre zurückverfolgen. Die Landschaft Andalusiens ist geprägt durch ausgedehnte Olivenhaine, Plantagen, die sich bis zum Horizont erstrecken. Die Provinz Jaén in Andalusien beherbergt die größten zusammenhängenden Flächen an Olivenhainen. Diese erstrecken sich von Westen aus in sanften Linien über die einzigartige Kulturlandschaft bis in den Nordosten der Provinz in den Nationalpark Sierras de Cazorla, Segura y las Villas.
Olivenkultur in Andalusien und seine Geschichte
Die ersten, die die Olivenkultur nach Spanien brachten, waren die Phönizier, die um das Jahr 1050 v. Chr. die Olivenbäume im heißen Süden Spaniens anbauten. Der Olivenbaum stammt ursprünglich aus Vorderasien, der heutigen Türkei. Von dort aus verbreitete er sich über Griechenland im gesamten Mittelmeerraum aus, bis er vor über 2000 Jahren nach Spanien kam. In der Zeit der Römer wurden die Olivenbäume im großen Stil angebaut und das Öl zu einem wichtigen Handelsgut gemacht. Damit wurde die Kolonie Hispania zum größten Olivenöllieferanten im Römischen Reich.
In der Römerzeit wurde eine bemerkenswerte Menge an Olivenöl aus Andalusien nach Italien verschifft. Im Jahr 1872 gelangte der deutsche Archäologe Heinrich Dressel zu der Erkenntnis, dass der Monte Testaccio in Rom, der eine Höhe von nahezu 50 Metern aufweist, aus den Scherben alter Tongefäße besteht. Es konnte festgestellt werden, dass sich am Ufer des Tibers mehr als 50 Millionen Amphoren mit Olivenöl befinden, die überwiegend aus der Provinz Baetica, dem heutigen Andalusien, stammen. Im Anschluss an die Entleerung der Gefäße erfolgte deren Entsorgung in der Nähe des Flusses.
Mit der Herrschaft der Araber in "Al-Ándalus" erfuhr der Olivenanbau eine weitere Intensivierung und Perfektionierung. Diese sprachlichen Einflüsse sind bis heute zu beobachten. Die spanischen Begriffe für Olivenöl (aceite de oliva), Olive (aceituna) oder Olivenmühle (almazara) sind aus dem Arabischen entlehnt und beweisen, dass der Olivenanbau eine lange Geschichte hat. Er hat sich weiterentwickelt und ist bis heute ein tragender Zweig der Landwirtschaft. Das als "Meer von Olivenbäumen" bekannte, berühmte Mar de Olivos erstreckt sich mit imposanten Wellen über Hügel und Täler. Dabei finden sich sowohl uralte, knorrige Exemplare, die wild über den Hang verstreut stehen, als auch jüngere Bäume, die in Reih und Glied gefördert werden und deren Anbau mit Subventionen der Europäischen Union unterstützt wird.
Saftige grüne Oliven kurz vor der Ernte
Die bekanntesten Olivensorten in Andalusien
Die Vielfalt der Olivensorten in Andalusien ist das Resultat unterschiedlicher Einflussfaktoren, darunter das Klima und die Böden sowie gezielte Pflanzenzucht. Diese Faktoren haben dazu geführt, dass es heute Hunderte verschiedene Olivensorten gibt, die sich durch ihre jeweiligen Geschmacksnuancen auszeichnen. Dabei umfasst die Bandbreite der Aromen sowohl milde als auch fruchtig-frische Noten bis hin zu bitteren und herben Nuancen. Gemäß offiziellen Angaben sind in Andalusien derzeit genau 191 Olivensorten registriert. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre wurden 41 neue Züchtungen eingeführt. Der überwiegende Teil der in der Region angebauten Oliven wird zu Olivenöl verarbeitet. Demgegenüber findet lediglich ein geringer Anteil der Oliven als Tafeloliven den Weg auf die Teller von Genießern.
Picual (Marteña)
Die in Andalusien kultivierte Olivenbaumsorte Picual, die auch unter anderen Namen wie Marteño, Nevadillo und Lopereño bekannt ist, gedeiht gegenwärtig nicht nur in Südspanien, sondern ist für etwa ein Drittel der globalen Olivenölproduktion verantwortlich. Die Ursachen hierfür sind in den vielfältigen Anpassungsmöglichkeiten der Picual-Olive zu finden. Des Weiteren weist die Olive einen Ölgehalt von 20 bis 27 Prozent sowie einen hohen Anteil an Polyphenolen auf, welche als gesundheitsfördernd gelten. Die Picual zeichnet sich durch einen intensiven und bitteren Geschmack aus. Aus diesem Grund findet sie lediglich Verwendung in der Ölherstellung, nicht jedoch als Speiseolive. In der Regel wird das Öl mit anderen Sorten vermischt.
Arbequina
Die Arbequina-Olive, deren Ursprung in Katalonien liegt, wurde im 17. Jahrhundert von der Herzogin von Cardona eingeführt. Die Herzogin residierte im Burg-Palast von Arbeca in Katalonien, weshalb der Name dieser Sorte zu Ehren der Gemeinde, in der sie lebte, vergeben wurde. Sie stellt nach der Picual die am zweithäufigsten verwendete Sorte für die Herstellung von Olivenöl dar und zeichnet sich durch eine hohe Resistenz gegenüber Krankheiten aus. Die kleinen und homogenen Früchte lassen sich ohne großen Aufwand maschinell ernten. Der Gehalt an Polyphenolen und damit an Bitterstoffen ist bei der Arbequina relativ niedrig. Ihr Geschmack kann als mild und buttrig beschrieben werden, was sie zu einer begehrten Tafelolive macht.
Hojiblanca
Die Sorte Hojiblanca ist eine moderne europäische Olivenart (Olea europaea). Der Name verweist auf die helle Farbe der Blätter. Sein Ursprungsgebiet ist die Gegend von Cabra und Lucena in der spanischen Provinz Córdoba. Hojiblanca repräsentiert die drittgrößte spanische Rebsorte hinsichtlich der Anbaufläche. Die Anbaufläche erstreckt sich über eine Größe von etwa 200.000 Hektar und umfasst die Provinzen Córdoba, Málaga, Sevilla und Granada. Die Hojiblanca-Olive weist eine größere Dimension auf als die Picual und verfügt über einen Ölgehalt von 17 bis 19 Prozent. Das Öl zeichnet sich durch einen anfänglich leicht bitteren und pikanten Geschmack aus, der von einem süßlichen Aroma von Kräutern und Blüten abgelöst wird. Des Weiteren werden Hojiblanca-Oliven als Tafeloliven geschätzt.
Manzanilla
Die Olivensorte Manzanilla – eine wahre Köstlichkeit! Diese besondere Olivensorte wird in Andalusien, vor allem in den Provinzen Sevilla und Huelva, angebaut und begeistert dort die Menschen mit ihrem einzigartigen Geschmack. Die gleichmäßig geformten, rundlichen Früchte sind ein absoluter Hochgenuss! Aufgrund ihres hohen Anteils an Fruchtfleisch sowie ihres fruchtigen Geschmacks werden sie zumeist als Tafeloliven vermarktet. Das aus dieser köstlichen Olivensorte gewonnene Öl begeistert mit einem herrlichen Geschmack nach reifen Früchten wie Bananen. Es verfügt über ein wunderbar ausgewogenes Spiel zwischen würzigen, bitteren und süßen Nuancen. Diese knackigen grünen Oliven sind ein absoluter Hochgenuss und werden in Andalusien oft zu leckeren Tapas gereicht.
Das Landschaftsbild wird geprägt von knorrigen alten Olivenbäumen.
Die Erntezeit der Oliven in Andalusien
In der andalusischen Region werden zwischen Oktober und April Millionen Tonnen an Oliven geerntet, welche anschließend zu Öl verarbeitet werden. Der Öl- oder Olivenbaum kann als die Charakterpflanze der Region bezeichnet werden. Folglich ist Spanien der größte Olivenproduzent weltweit. Die Erntezeit stellt einen entscheidenden Moment im Produktionsprozess von Olivenöl dar. Die Olivenernte stellt nicht nur einen bedeutenden agrarischen, sondern auch einen herausragenden kulturellen Höhepunkt dar. Die Erntezeit für Oliven in Spanien variiert in Abhängigkeit von der jeweiligen Region, der Olivensorte sowie dem gewünschten Reifegrad der Oliven. Die Erntezeit lässt sich in drei Hauptphasen unterteilen: Die frühe Ernte umfasst die Gewinnung grüner Oliven. Die Erntezeit erstreckt sich von Mitte Oktober bis Ende November. Die Haupternte umfasst die Ernte von halbreifen Oliven. Dezember bis Mitte Januar. Die späte Ernte umfasst die Reife der Oliven. Die Erntezeit erstreckt sich von Mitte Januar bis Ende Februar.
Hier sehen wir fleißige Frauen bei der Olivenernte.
Die traditionelle Ernte in Quesada
In der malerischen Ortschaft Quesada und ihrer ländlichen Umgebung, die sich durch weitläufige Olivenhaine auszeichnet, erfolgt die Ernte der grünen Früchte der Picual-Oliven noch in traditioneller Weise. Die Erntearbeit ist mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden und wird von einer Vielzahl an Arbeitskräften durchgeführt, darunter sowohl Frauen und Männer aus der Ortschaft als auch Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter, die bei der umfangreichen Olivenernte unterstützend eingesetzt werden. Es bot sich die Gelegenheit, die Olivenernte über einen Zeitraum von mehreren Tagen zu beobachten und dabei die Arbeitsprozesse sowie die Interaktion der involvierten Akteure zu analysieren. Dabei fiel auf, dass die Helfer durchweg freundlich und gutgelaunt waren und die Früchte mit großer Vorsicht von den Bäumen abtrugen. Unter den Bäumen werden großflächige Netze ausgelegt, welche durch die Verwendung von langen Stäben, den sogenannten Varas, durch die Arbeiterinnen und Arbeiter zum Herabfallen der Früchte auf das Netz gebracht werden. Anschließend wurde die Feinarbeit mit den sogenannten Varas durchgeführt, bevor Vibrier-Maschinen zum Einsatz kamen. Diese rüttelten am Stamm, wodurch der Rest der Früchte heruntergeholt wurde.
Mit Laubsaugern werden die Früchte von den fleißigen Frauen auf das Netz fixiert und anschließend per Handarbeit mit körperlichem Einsatz auf einer Stelle gesammelt. Im Rahmen dieses Arbeitsprozesses werden die Früchte von Blättern, Hölzern und Steinen befreit, sodass lediglich die reinen Oliven übrigbleiben. So dass in der späteren Pressung die Qualität nicht beeinträchtigt wird.
Die Anwendung von Laubsaugern führt dazu, dass die reifen Früchte in den Netzen platziert werden.
Im Anschluss erfolgt die Beladung der landwirtschaftlichen Fahrzeuge mit den gesammelten Oliven. Im Durchschnitt werden pro Baum etwa 150 Kilogramm Oliven geerntet. Um den Nektar der Picual-Oliven zu gewinnen, werden diese in der Olivenmühle von Quesada noch am gleichen Tag gewaschen, gemahlen und anschließend gepresst. Das Ergebnis der Verarbeitung von einem Kilogramm Oliven ist ein Öl mit einem Gewicht von 180 Gramm. Das native Olivenöl extra, auch als "Extra Virgin" bezeichnet, zeichnet sich durch einen fruchtigen Geschmack und eine leicht bittere Note aus. Die Sorte Picual stellt mit einem Anteil von 50 % an der spanischen sowie einem Fünftel an der globalen Produktion das Hauptprodukt dar. In Deutschland wird das Öl sogar in Apotheken als Medizin verkauft.
In der Folge ist ein Wettlauf mit der Zeit zu beobachten. Licht, Wärme und Oxidation beeinträchtigen die Aromenvielfalt. Der optimale Erntezeitpunkt ist von einer Vielzahl von Einflussfaktoren abhängig, wobei auch die Wetterbedingungen eine entscheidende Rolle spielen. So ist zu beachten, dass Oliven frostempfindlich sind. Eine Ernte bei Regen ist zu vermeiden. Im Anschluss an die Ernte müssen die Oliven umgehend in die Genossenschaft zur Pressung verbracht werden. In der Kooperative, zu der mehrere Bauern ihre Oliven bringen, erfolgt eine Reinigung der Oliven, wobei Äste und Blätter durch entsprechende Vorrichtungen, wie beispielsweise Rosten und Gebläse, entfernt werden. Im Anschluss erfolgt eine Zerkleinerung der Oliven, wobei der Stein mit einbezogen wird. Im Anschluss findet eine Pressung statt. Am darauffolgenden Morgen könnte das fertige Olivenöl bereits in den Verkaufsregalen zur Verfügung stehen, während die zerkleinerten Blätter und Äste als Viehfutter in den Ställen oder als Dünger verwendet werden könnten. Das Öl ist gegenwärtig jedoch noch trübe, sodass eine Wartezeit von etwa 14 Tagen eingelegt wird, um eine ausreichende Klarheit des Öls zu gewährleisten. Dieses Öl verzeichnet eine höhere Verkaufszahl. Das ausgepresste Fruchtfleisch sowie die zerkleinerten Kerne werden als Brennmaterial zur Wärme- oder Stromgewinnung eingesetzt. Dies entspricht einer Substitution von rund 2,5 Kilogramm Oliventrester durch einen Liter Diesel, welcher etwa 12-mal so teuer ist.
Die Oliven werden durch zwei Männer mit Laubsauger und Stock von Laub befreit.
Es sei darauf verwiesen, dass Olivenmühlen bereits vor mehr als 300 Jahren in Betrieb genommen wurden, um die Oliven samt ihren Kernen direkt im Anschluss an die Ernte und Aussiebung von Steinen und Blättern zu pressen. Dabei wurden die Oliven zwischen Esparto-Gras-Matten gepresst. Bei der Ernte auf großen Plantagen wird ein wendiger gelber "Panzer" auf zwei Traktorreifen eingesetzt, der wie aus einem Fantasyfilm mit geöffneten Greifarmen unter die Olivenbäume fährt. In der Folge kommt es zu einer ruckartigen Bewegung des Stamms, die mit erdbebenähnlichen Stößen einhergeht. Eine Wolke aus Feinstaub quillt heraus, während die Erntehelfer mit Stöcken aufs Geäst einschlagen. Diese Tätigkeit ist ein Überbleibsel der traditionellen Arbeit des "El Vareo".
Olivenöl zeichnet sich durch einen hohen Gehalt an Vitamin E, Ölsäure sowie einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren aus. Darüber hinaus enthält es eine Vielzahl an Polyphenolen, welche als Antioxidationsstoffe eine pfefferige Schärfe verleihen. Die genannten Inhaltsstoffe sollen die Zellalterung verzögern, den Cholesterinspiegel regulieren sowie das Risiko einer Krebserkrankung, eines Herzinfarkts, eines Magengeschwürs oder einer Erkrankung der Gelenke und Knochen reduzieren. Des Weiteren wird Olivenöl positive Effekte auf die Haut, die Verdauung sowie die Galle nachgesagt, sodass es sogar in Apotheken als Heilmittel angeboten wird.
Die bemerkenswertesten kulinarischen Erfahrungen werden in Restaurants gesammelt. Diesbezüglich sei angemerkt, dass in Jaén eine signifikante Anzahl an Chefköchen von einer besonderen Leidenschaft für Öl angetrieben wird. Die experimentelle Verwendung unterschiedlicher Sorten sowie die Kreation neuer Gerichte, darunter auch Desserts, sind ebenso zu beobachten wie die Konzeption von Öl-Degustationsmenüs, die sich über mehrere Gänge erstrecken. In einigen Fällen werden zur Vorspeise sechs verschiedene Ölsorten serviert. Die Gäste konsumieren die grünen Flüssigkeiten, welche die Sinne sensibilisieren, indem sie frisches Brot darin tunken.
Freundliche Erntehelferin
Die folgenden Zahlen geben einen Überblick über die Olivenkultur:
Die im Nordosten der spanischen Region Andalusien gelegene Provinz Jaén kann mit Fug und Recht als das größte Olivenanbaugebiet Spaniens und der Welt bezeichnet werden. Die Landschaft ist geprägt von einer Vielzahl an Olivenbäumen, die auf einer Fläche von 60 bis 67 Millionen Bäumen in unterschiedlichen Höhenlagen und an steilen Hängen wachsen. Ein Großteil der Olivenhaine befindet sich in Privatbesitz. Diese Bäume leisten einen beachtlichen Beitrag zur spanischen und europäischen Ölproduktion, wobei ihr Anteil an der spanischen Produktion bei 50 % und an der europäischen bei 20 % liegt. Es darf mit Stolz darauf verwiesen werden, dass Spanien weltweit der größte Produzent ist und einen Anteil von 45 % hält. Es darf darauf hingewiesen werden, dass 70 % des in der EU hergestellten Öls aus Spanien stammen, wobei 85 % davon aus Andalusien kommen.
Die Erntezeit in Quesada und Andalusien hat gezeigt, dass die Region Jaén eine bedeutende Rolle im Olivenanbau spielt, der dort eine lange Geschichte aufweist. Die Olive ist ein wesentlicher Bestandteil der andalusischen Küche und wird nahezu täglich als Beilage zu den Tapas gereicht. Sie ist ein Sinnbild für die geschmackliche Reise der Sinne und Lebensfreude Andalusiens. Quesada ist ein Ort, an dem das "grüne Gold" in seiner ganzen Vielfalt hergestellt wird. Die Beobachtung des Herstellungsprozesses vermittelt ein Verständnis für die Bedeutung der Olive in der andalusischen Kultur.
Buen Camino!
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